
Zigarrenhai
Isistius brasiliensis
Körperbau, äußere Merkmale & Anatomie
Der Zigarrenhai (Isistius brasiliensis) ist ein kleiner Tiefsee-Hai der Gattung Isistius, auch als Cookiecutter Shark bekannt. Er erreicht nur etwa 40–50 cm Länge und hat einen schlanken, torpedoförmigen („zigarrenförmigen“) Körper. Auffällig ist seine einheitlich dunkelbraune Oberseite mit einem deutlich abgegrenzten dunklen Halsband. Die helle Unterseite des Hais ist dicht mit Photophoren besetzt: diese Leuchtorgane emittieren grünes/blaues Licht, das vermutlich der Tarnung (Counter-Illumination) dient und gleichzeitig Beute anlockt. Durch seine schaufelförmigen Zähne kann der Zigarrenhai runde Fleischstücke aus größeren Fischen und Meeressäugern herausbeißen – daher auch sein englischer Name „Cookiecutter Shark“ (Plätzchenstecher-Hai).
Körperbau und äußere Merkmale
Der Körper des Zigarrenhais ist langgestreckt und seitlich abgeflacht, was ihm ein schlankes Profil verleiht. Die beiden Rückenflossen sind sehr klein und weit hinten am Rücken angesetzt, die Afterflosse fehlt vollständig. Die Schwanzflosse ist im Querschnitt nahezu symmetrisch („homozerk“) mit einem etwas verlängerten unteren Lappen (beidseitig etwa gleich lang). Die Schnauze ist kurz und abgerundet, und die großen, nach vorn gerichteten Augen verleihen dem Hai einen markanten Gesichtsausdruck. Das Maul verläuft quer unter der Schnauze, der Zigarrenhai besitzt ausgeprägte, saugnapfartige Lippen (sogenannte suctorial lips).
Die Hautfarbe ist oberseits ein einheitliches Braun bis Graubraun, unterseits heller. Charakteristisch ist ein dunkles Band (Kragen) rund um die Kiemenregion. Unter der Bauchseite erstreckt sich eine dichte Reihe biolumineszenter Photophoren, die bei Lebendfängen grünes bis blaues Licht abgeben. Von den photogenen Organen ausgenommen sind die Flossenränder und der dunkle Halskragen. Diese Leuchtfunktion hilft dem Hai offenbar, sich im dunklen Ozean zu tarnen und Beute anzulocken.
Anatomische Besonderheiten
Gebiss- und Kieferstruktur
Das Gebiss des Zigarrenhais ist hochspezialisiert und auffällig asymmetrisch aufgebaut. Die Oberkieferzähne sind sehr klein, spitz und nadelförmig, während die Unterkieferzähne groß, breit und dreieckig sind. Im Unterkiefer sitzen etwa 25–32 Zahnreihen nebeneinander, die miteinander verwachsen eine messerartige Schneidkante bilden. Mit diesem Gebiss kann der Hai keilförmige Fleischstücke aus seiner Beute herausreißen. Dabei saugt er sich mit seinen speziellen Lippen fest an das Beutetier und dreht sich bei gehobener unteren Maulscharte um seine Achse, sodass seine sägeblattartig wirkenden Unterkieferzähne ein konisches Stück Fleisch herauslösen. Die obere Zahnreihe dient dabei als Haken, der das Fleischstück festhält, während der Hai sich abstößt und das herausgeschnittene Fleischstück verschluckt.
Eine Besonderheit des Zigarrenhais ist der gleichzeitige Zahnwechsel: Er kann alle Zähne seines Unterkiefers auf einmal abstoßen, wenn sie verschlissen sind. Die ausgefallenen Zähne werden oft abgeschluckt – vermutlich um Calcium zurückzugewinnen und den knorpeligen Körper zu mineralisieren. Insgesamt ist die Gebissstruktur damit einzigartig unter den Haien und eng an seine „cookiecutter“-Fressweise angepasst.
Biolumineszenz
Wie viele Vertreter der Familie Dalatiidae ist auch der Zigarrenhai biolumineszent. Seine Bauchseite trägt zahlreiche Leuchtorgane (Photophoren), die ein grünliches bis bläuliches Licht aussenden. Diese Biolumineszenz erzeugt ein Gegenlicht zum oberen dunklen Meereslicht und hilft dem Hai damit vermutlich, im Wasser unsichtbar zu bleiben (Gegenbeleuchtung). Zugleich lockt das Leuchten kleinere Fische und andere potenzielle Opfer in die Nähe des Hais.Das dunkle Halsband um den Kopf bleibt dabei unbeleuchtet. Die Funktion der Biolumineszenz ist noch nicht abschließend geklärt, doch man nimmt an, dass sie vor allem der Tarnung dient und zusätzlich Raubfisch-Beute wie Wale oder tunfischähnliche Fische anlocken kann.
Geschlechtsunterschiede
Zigarrenhaie zeigen leichten Geschlechtsdimorphismus: Weibchen werden in der Regel etwas größer als Männchen. Geschlechtsreif werden Männchen ab rund 36–38 cm Länge und Weibchen ab etwa 39–40 cm. Die maximale Körperlänge liegt bei Männchen bei etwa 42–44 cm, bei Weibchen über 50 cm. Ein deutlich sichtbarer Unterschied besteht in den Kopulationsorganen: Wie alle Knorpelfische haben die Männchen zwei paarig angelegte Klasper, die sich im hinteren Bauchbereich an der Basis der Beckenflossen befinden. Diese Klasper dienen dem Männchen als intimes Begattungsorgan, mit dem es bei der Paarung Spermien in die Kloake des Weibchens einführt. Neben der Größe sind äußerlich keine weiteren Geschlechtsunterschiede bekannt. Weibchen besitzen paarige Uteri; Männchen verfügen über Klaspern zur inneren Befruchtung.
Besondere Merkmale im Vergleich zu anderen Haien
Im Vergleich zu den meisten anderen Haiarten hat der Zigarrenhai mehrere ungewöhnliche Merkmale. Er gehört zur Familie der Kleinsthaie (Dalatiidae) und unterscheidet sich von verwandten Dornhaiarten dadurch, dass seine Rückenflossen ohne Dornenstacheln sind. Besonders auffällig ist das dunkle Halsband, das den Zigarrenhai kennzeichnet – sein nächster Verwandter, der Großzahn-Zigarrenhai (Isistius plutodus), besitzt ein solches Band nicht.
Die äußerst parasitäre Lebensweise macht den Zigarrenhai einzigartig: Er kann an größeren Meerestieren saugen und mit seinen Zähnen runde Fleischstücke herausschneiden, ohne die Beute sofort zu töten. Nur wenige andere Haie (etwa einige Zwergeleuchthaie oder seltene Tiefseearten) weisen ähnliche zirkulare Bisswunden auf.
Zusammen mit seiner Biolumineszenz, den starken Kiefern und seiner geringen Größe macht diese Kombination von Merkmalen den Zigarrenhai zu einem der ungewöhnlichsten Haie überhaupt (Oophagie).
Verbreitung & Vorkommen
Der Zigarrenhai ist in allen drei großen Ozeanen vertreten: Atlantik, Pazifik und Indischer Ozean. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich hauptsächlich zwischen den Breitengraden 20°N und 20°S, wo die Oberflächentemperaturen in der Regel zwischen 18°C und 26°C liegen.

Atlantischer Ozean
- Westatlantik: Beobachtungen reichen von den Bahamas bis zur Südküste Brasiliens.
- Ostatlantik: Nachweise gibt es von den Kapverdischen Inseln über Guinea und Sierra Leone bis nach Angola und Südafrika, einschließlich Ascension Island.
Indopazifischer Raum
- Indischer Ozean: Funde wurden zwischen Mauritius und Neuguinea dokumentiert.
- Pazifik: Der Hai wurde vor Japan, Hawaii, Neuseeland und den Galápagos-Inseln gesichtet.
Diese weite Verbreitung deutet darauf hin, dass der Zigarrenhai eine hohe Anpassungsfähigkeit an verschiedene ozeanische Bedingungen besitzt.
Bevorzugte Wassertiefen und Tageswanderungen
Der Zigarrenhai ist ein Bewohner der offenen Meere und hält sich in Tiefen zwischen 85 und 3.700 Metern auf. Er zeigt ein ausgeprägtes vertikales Wanderverhalten:
- Nachts: Steigt er in flachere Wasserschichten auf, um Beute zu suchen.
- Tagsüber: Zieht er sich in tiefere Regionen zurück, vermutlich zur Tarnung vor Fressfeinden.
Diese täglichen Wanderungen ermöglichen es dem Hai, effizient Nahrung zu finden und gleichzeitig Raubtieren zu entgehen.
Häufigkeit und Sichtungen
Aufgrund seines Lebensraums in der Tiefsee wird der Zigarrenhai nur selten direkt beobachtet oder gefangen. Dennoch liefern charakteristische Bissspuren an größeren Meeresbewohnern wie Walen, Delfinen und großen Fischen Hinweise auf seine Präsenz. Solche Spuren wurden unter anderem in Hawaii, den Galápagos-Inseln und vor der Küste Brasiliens dokumentiert.
Umweltbedingungen seines Lebensraums
Der Zigarrenhai bevorzugt bestimmte Umweltbedingungen:
- Temperatur: Warme Gewässer mit Temperaturen zwischen 18°C und 26°C.
- Tiefe: Lebensräume in Tiefen von 85 bis 3.700 Metern.
- Küstenferne: Offene ozeanische Regionen, oft in der Nähe von Inseln, die möglicherweise als Fortpflanzungsgebiete dienen.
Diese Bedingungen bieten dem Zigarrenhai optimale Voraussetzungen für Nahrungssuche und Fortpflanzung.
Lebensweise, Ernährung & Fortpflanzung
Lebensweise in der Tiefsee
Der Zigarrenhai ist ein nachtaktiver Tiefseebewohner, der in tropischen und subtropischen Gewässern rund um den Globus vorkommt. Tagsüber hält er sich meist in Tiefen zwischen 500 und über 3.000 Metern auf, nachts steigt er in obere Wasserschichten auf – ein Verhalten, das als vertikale Wanderung bekannt ist. Diese nächtlichen Ausflüge dienen der Nahrungssuche.
Der Hai lebt pelagisch, also fernab des Meeresbodens, und bewegt sich bevorzugt in ozeanischen Regionen, oft in der Nähe von Inseln. Aufgrund seines kleinen Körpers ist er sehr agil und kann überraschend präzise agieren.
Ernährung und Jagdverhalten
Einzigartige Beißtechnik
Der Zigarrenhai ist bekannt für seine ungewöhnliche Jagdmethode. Statt Beute zu verschlingen, reißt er runde Fleischstücke – ähnlich einem „Keksausstecher“ – aus größeren Meerestieren. Dazu zählen Thunfische, Schwertfische, Wale und Delfine. Dieses Verhalten hat ihm auch seinen englischen Namen „Cookiecutter Shark“ eingebracht.
So funktioniert der Angriff
- Tarnung durch Leuchtorgane: Seine Bauchseite ist mit Photophoren (Lichtorganen) ausgestattet. Diese erzeugen ein schwaches Leuchten, das den Hai aus der Tiefe kommend für Beutetiere unsichtbar macht.
- Annäherung: Getarnt nähert er sich größeren Tieren.
- Ansaugen und Drehen: Mit seinen muskulösen Lippen saugt er sich an der Beute fest, verankert sich mit seinen nadelförmigen Oberkieferzähnen und schneidet mit den gezackten Unterkieferzähnen ein Stück Gewebe heraus, während er sich um die eigene Achse dreht.
Diese parasitäre Ernährungsweise ist unter Haien extrem selten.
Fortpflanzung und Nachwuchs
Der Zigarrenhai ist wie andere Dornhaie lebendgebärend, jedoch ohne Plazenta. Das bedeutet: Die Embryonen entwickeln sich im Körper des Weibchens und werden durch einen Dottersack versorgt. Diese Form der Fortpflanzung wird als „aplazental vivipar“ bezeichnet.
Entwicklung im Mutterleib
- Weibchen besitzen zwei funktionale Uteri.
- Pro Wurf werden 6 bis 12 Jungtiere geboren.
- Während der Trächtigkeit ernähren sich die Embryonen ausschließlich vom Dotter.
- Ein dokumentierter Fall zeigte neun Embryonen mit einer Länge von 12,4 bis 13,7 cm. Sie hatten bereits Pigmentierung, aber noch keine entwickelten Zähne oder den typischen dunklen Halsring.
- Die Dottersäcke waren zu diesem Zeitpunkt noch intakt, was auf eine lange Tragzeit hindeutet.
- Neugeborene Zigarrenhaie messen bei der Geburt etwa 14 bis 15 cm.
Geschlechtsreife
- Männchen erreichen die Geschlechtsreife bei etwa 36 cm Körperlänge.
- Weibchen werden bei etwa 39 cm geschlechtsreif.
- Die maximale Größe beträgt rund 50 cm bei Weibchen, etwas weniger bei Männchen.
Verhalten der Jungtiere
Junge Zigarrenhaie sind von Geburt an selbstständig und vollständig angepasst an das Leben in der Tiefsee. Es gibt keine elterliche Fürsorge. Bereits in jungen Jahren beginnen sie mit ihrer typischen Beißstrategie, um sich zu ernähren.
Interaktion mit Menschen
Ist der Zigarrenhai für den Menschen gefährlich?
Im Gegensatz zu großen Haiarten wie dem Weißen Hai oder dem Tigerhai gilt der Zigarrenhai nicht als gefährlich im klassischen Sinne. Er ist klein – in der Regel nur 40 bis 50 Zentimeter lang – und lebt meist in großer Tiefe fernab von Küstenregionen. Dennoch gibt es dokumentierte Fälle, in denen Zigarrenhaie Menschen verletzt haben.
Die Angriffe verlaufen meist nach demselben Muster: Der Hai nähert sich, saugt sich mit seinen Lippen an der Haut des Opfers fest und schneidet mit seinen scharfen Unterkieferzähnen ein rundes Stück Gewebe heraus. Das Ergebnis sind kreisförmige Wunden, die meist harmlos, aber auffällig sind.
Dokumentierte Vorfälle mit Menschen
In sehr seltenen Fällen wurden Schwimmer, Taucher oder Soldaten bei nächtlichen Manövern in tropischen Gewässern gebissen. Besonders bekannt wurde ein Fall aus den 1970er-Jahren, bei dem mehrere US-Soldaten während eines nächtlichen Aufenthalts im Wasser im Pazifik kreisrunde Bisswunden davontrugen.
Typisch ist, dass diese Bisse relativ oberflächlich sind, aber durch das starke Ansaugen schmerzhaft sein können. Es sind bislang keine tödlichen Zwischenfälle mit Zigarrenhaien bekannt. Die Wunden heilen bei entsprechender Behandlung in der Regel problemlos ab.
Interaktion mit Technik und Ausrüstung
Der Zigarrenhai ist nicht nur für seine Interaktion mit Lebewesen bekannt. Es gibt zahlreiche Berichte, dass er auch Unterwassertechnik attackiert, insbesondere:
- Sonarbojen
- Tiefsee-Telekommunikationskabel
- U-Boot-Verkleidungen
Die kreisförmigen Bissspuren an Kabeln und Ausrüstung deuten darauf hin, dass der Hai möglicherweise durch elektromagnetische Signale oder die Beschaffenheit der Materialien angelockt wird.
Besonders empfindlich betroffen sind Gummiummantelungen, die er mit potenzieller Beute verwechselt. Dies führte in der Vergangenheit sogar zu technischen Ausfällen bei Unterwassergeräten.
Warum beißt der Zigarrenhai?
Das ungewöhnliche Beißverhalten des Zigarrenhais hat evolutionäre Gründe: Er ernährt sich parasitär, indem er kleine Fleischstücke aus größeren Tieren herausbeißt, ohne diese zu töten. Diese Strategie ist effizient und energiearm – ideal für das Leben in der nährstoffarmen Tiefsee.
Dass der Hai gelegentlich Menschen oder technische Objekte beißt, ist vermutlich kein aggressives Verhalten, sondern eine Verwechslung.
Wie kann man sich schützen?
Da Begegnungen mit Zigarrenhaien extrem selten sind und meist in offenen, tropischen Meeresgebieten bei Nacht stattfinden, besteht für gewöhnliche Badegäste kaum ein Risiko. Wer sich jedoch längere Zeit bei Nacht im tiefen Meer aufhält – etwa bei militärischen Einsätzen oder wissenschaftlichen Tauchgängen – kann einige Vorsichtsmaßnahmen beachten:
- Einsatz elektronischer Abschrecksysteme (wenn verfügbar)
- Schutzanzüge mit festen Außenmaterialien
- Vermeidung von Aufenthalten in typischen Jagdtiefen bei Nacht
Quellen
Systematik
- Reich: Animalia
- Stamm: Chordata
- Unterstamm: Vertebrata
- Infrastamm: Gnathostomata
- Parvstamm: Chondrichthyes
- Klasse: Elasmobranchii
- Unterklasse: Neoselachii
- Teilklasse: Haie - Selachii
- Überordnung: Squalomorphi
- Ordnung: Dornhaiartigen - Squaliformes
- Familie: Unechte Dornhaie - Dalatiidae
- Gattung: Zigarrenhaie - Isistius