Somalias illegaler Handel mit Leberöl von Schlinghaien bedroht die gesamte Art

In Puntland floriert trotz Verbots der Handel mit Leberöl aus Schlinghaien. Überfischung und schwache Kontrollen treiben eine bedrohte Art an den Rand.

Ronny K18. August 2025
Schlinghai centrophorus niaukang tot auf betonboden

Im Hafen von Bosaso in Puntland herrscht zwischen drei und neun Uhr morgens geschäftiges Treiben. Händler, Fischer, Essensverkäufer und Beamte verhandeln lautstark über den nächtlichen Fang – inmitten verfallener Verarbeitungsräume, improvisierter Garküchen und offener Fischmärkte. Neben vielen Fischarten stehen vor allem die kleinen Schlinghaie im Fokus. Während ein Schreiber die Fangmengen notiert, zerlegt ein junger Mann die Tiere, entnimmt die Fischmägen und legt die Lebern in Plastikeimer.

„Das Geschäft läuft gut“, sagt er Forschern des ENACT-Projekts zur organisierten Kriminalität.

Im halbautonomen Puntland ist Leberöl von Schlinghaien zum Kern eines aufstrebenden illegalen Geschäfts geworden. Laut TRAFFIC ist es wegen seines hohen Squalen-Gehalts gefragt – für Kosmetik, Nahrungsergänzung und Pharma, vor allem in asiatischen Märkten. Der weltweite Markt für Hai-Leberöl lag 2024 bei rund 157,2 Millionen US-Dollar und könnte bis 2033 auf 263,6 Millionen US-Dollar wachsen.

Biologie, die überfischungsanfällig macht

Mehrere Schlinghai-Arten gelten als gefährdet oder stark gefährdet. Sie wachsen langsam, werden spät geschlechtsreif (Weibchen mit etwa 16 Jahren, Männchen mit etwa 18 Jahren) und haben extrem niedrige Reproduktionsraten – nur ein Junges pro zweijähriger Tragzeit. Tiefseehaie sind damit noch anfälliger für Übernutzung als die meisten anderen Wirbeltiere des Meeres. TRAFFIC-Daten zufolge sind die Hälfte der für den internationalen Leberölhandel genutzten Arten vom Aussterben bedroht; im südlichen Indischen Ozean brach die Schlinghai-Population zwischen 2015 und 2020 um 97 Prozent ein.

Verbot auf dem Papier, florierender Schwarzmarkt

Im August 2024 untersagte Puntlands Regierung den Fang von Schlinghaien und beschloss weitere Maßnahmen zur Stärkung der Meeresverwaltung. Doch schwache Durchsetzung lässt den lukrativen Handel weiter wachsen. Offizielle Statistiken fehlen, doch lokale Fischer berichten von sinkenden Fangmengen. ENACT-Recherchen in Bargaal, Qandala und Bosaso bestätigen die besorgniserregende Entwicklung im Golf von Aden.

Interviewpartner schildern ein Netzwerk aus einflussreichen Regierungsakteuren, lokalen Clanältesten, Geschäftsleuten und Fischern, das Fang, Verarbeitung und Export organisiert. Trotz Verbots geht das Geschäft weiter: Organe werden an einen kleinen Kreis von Aufkäufern in Bosaso verkauft – unabhängig von der Größe für etwa einen US-Dollar pro Stück. In provisorischen Anlagen wird das Öl mit primitiven, unregulierten Methoden gewonnen – ohne Aufsicht, Umweltauflagen oder Genehmigungen.

Rohöl, schnelle Gewinne, hohe Risiken

„Wir zerkleinern die Leber, erhitzen sie auf 70 bis 100 Grad und geben alkalische Lösungen zu, um den pH-Wert zu steuern“, erklärt ein Betreiber.

Anschließend wird destilliert und mithilfe von Zentrifugen gefiltert, um Verunreinigungen zu entfernen und squalenreiches Öl zu gewinnen. Kleine Teams, die mit Exporteuren oder Vermittlern verbunden sind, prüfen die Qualität und organisieren den Abtransport. Die fehlende Regulierung gefährdet die Produktqualität und führt zu Umwelt- und Gesundheitsproblemen – etwa durch das Ablassen belasteter Abfälle.

In Somalia kostet das Öl je nach Qualität etwa 14,44 bis 38,50 US-Dollar pro Kilogramm; Endabnehmer im Ausland zahlen deutlich mehr. Um Kontrollen zu umgehen, wird die Ware auf See illegal auf ausländische Schiffe verladen – vorbei an offiziellen Häfen, Anlandeplätzen oder Exportkanälen. Sendungen werden unter legaler Ladung versteckt oder über Mittelsmänner verschleiert. Diese verdeckte Lieferkette bedient vor allem Märkte in China und im Golfraum.

Wissenslücken und ein möglicher CITES-Schutz

Fachleute von TRAFFIC, darunter Glenn Sant und Markus Burgener, verweisen auf große Wissenslücken: zum Umfang des globalen Handels, zur Herkunft und den Kapazitäten der Verarbeiter sowie zur Ölqualität. Mangels spezifischer Codes für Schlinghai-Leberöl ist unklar, wie viel exportiert wird. Derzeit wird ein CITES-Vorschlag diskutiert, der Schlinghaie im Dezember 2025 unter Schutz stellen könnte. Dann müssten Länder Lizenzen vergeben und legale, nachhaltige Fangpraktiken nachweisen; bei illegalem Fang drohen globale Handelsverbote. Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette wäre Pflicht.

Was jetzt zu tun ist

Puntlands Verbote greifen bislang nicht, sind aber ein notwendiger erster Schritt. Nötig ist die Angleichung der Rechtslage zwischen Bund und Gliedstaaten Somalias – sowohl beim Fang als auch bei der Verarbeitung von Leberöl. Ebenso wichtig: belastbare Daten zu Rückzugsgebieten der Schlinghaie und eine umfassende Managementstrategie für die Art.

Bewährt hat sich der Aufbau maritimer Überwachungssysteme gegen illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei. Indonesien veröffentlichte sein Schiffsüberwachungssystem in Kooperation mit Global Fishing Watch und schuf so mehr Transparenz für Fischereidaten und -management. Auch für Somalia wäre mehr Investition in Überwachung und Strafverfolgung wichtig – etwa in Partnerschaft mit FAO, UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung und Europäischer Union –, um illegale Operationen zu identifizieren und abzuschrecken.

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